Spannungen zwischen Debian und Ubuntu

Heute wurde Ubuntu 6.10 “Edgy Eft” veröffentlicht. Keine Frage: Ubuntu ist sexy, agil und sehr erfolgreich. Und seit der 6.06 LTS Version (Dapper Drake) rockt Ubuntu nicht nur auf dem Desktop. Aber tut es uns auch gut? Oder ist Ubuntu Teufelszeug – der Apfel, in den wir beissen bevor wir aus dem “Open Source & Free Software” Paradies vertrieben werden?

Bereits im Frühjahr 2005 hat Debian’s geistiger Vater Ian Murdock in seinem Blog angemahnt das Paketsystem von Debian und seinen Töchtern kompatibel zu halten, damit es nicht zu einem Fork kommt und man die gleichen Probleme wie bei RPM basierten Distributionen bekommt.

Ian’s Ubuntu vs. Debian Betrachtungen gewinnen heute unter dem zunehmenden Erfolg von Ubuntu mMn. immer mehr Bedeutung. Seine Mahnung “we all win if and only if Ubuntu remains a good son” scheint aber von Mark Shuttleworth ungehört zu bleiben. Heute.de berichtete jüngst über “das beste Linux, das es je gab” und meint damit das für den Dezember angekündigte Debian GNU/Linux 4 mit dem Codenamen “Etch”. Martin “Joey” Schulze gibt im Inverview die Bedenken vieler Debian-Entwickler wieder:

“Normalerweise freuen wir uns, wenn sich andere Projekte Debian als Basis aussuchen”, erläutert Schulze. “Ein bisschen anders” sei das bei Ubuntu, der Linux-Distribution, die Mark Shuttleworth gegründet hat, südafrikanischer Millionär und erster Weltraumtourist. Ubuntus Popularität gehe mehr und mehr auf Debians Kosten: “Seine Firma hat Debian-Entwickler eingestellt und zieht einiges an Entwicklungszeit und Anwenderschaft von Debian ab.”

Schulze befürchtet darum eine Spaltung, einen “Fork”, wie das in Linux-Kreisen heißt: “Es sieht derzeit so aus, dass Ubuntu mehr oder weniger ein ‘Fork’ von Debian ist. Viele Entwickler haben damit ein Problem.” Sollte Ubuntu dauerhaft an Debians Stelle treten, beende das auch die basisdemokratische Organisation: “Ubuntu hat ein anderes Leitungsmodell, hierarchische Strukturen – und der Projektleiter ist erheblich autoritärer.”

Debian auf dem Desktop war bisher aufgrund dieser “basisdemokratische Organisation” alles andere als “Cutting Edge”, so dass dieses Segment von Ubuntu im Sturm eingenommen werden konnte. Aber auch für den Einsatz auf dem Server ist der Entwicklungszyklus der community driven Distribution Debian oftmals ein Problem, so dass die Server-Version von Ubuntu zunehmend mehr Anhänger findet.

Natürlich ist es nicht fair den Output der Debian Community und seinen “pro bono maintainern” mit dem einer Distribution zu vergleichen, die sich zum einen die Errungenschaften eben dieser Community zunutze macht und zum anderen auf bezahlte Entwickler zurückgreifen kann – aber danach fragt in dem Moment kaum keiner, wenn ein Problem gelöst werden muss. Also bleibt die Ubuntu-Versuchung groß. Aber wenn die Beziehung zwischen Debian und Ubuntu entgegen Ubuntus “relationship declaration” zur Einbahnstrasse wird, so wird Ubuntus Erfolg Debian mehr schaden als nutzen. Und Martin “Joey” Schulzes Aussagen im Interview wollen dabei so gar nicht mit Ubuntus “wir haben uns alle lieb” Erklärung zusammenpassen… Also behält am Ende Ian Murdock Recht: “Mark, this doesn’t end well.”